Bestattungen aus machtkritischer Perspektive
Tausend Tode Festival
Wer ist betrauerbar? Wer wird erinnert? Die Bestattungspraxis in Deutschland ist von Machtverhältnissen, insbesondere von Klassismus und Heteronormativität, geprägt. Aktuell werden immer mehr einkommensarme Menschen in Deutschland, für die keine Angehörigen die Bestattungspflicht wahrnehmen (können), ohne Grabstein und Namen, ohne Trauerfeiern und Blumenschmuck von Gesundheits- und Ordnungsämtern bestattet. Teilweise, wie zum Beispiel im Berliner Bezirk Neukölln, finden die ordnungsbehördlichen Bestattungen monatlich als Sammelbeerdigung im Minutentakt statt. Oft wurden diese Menschen schon zu Lebzeiten marginalisiert und gesellschaftlich ausgegrenzt.
Francis Seeck zeigt in diesem Buch den Zusammenhang zwischen Machtverhältnissen, Ausgrenzung und Beerdigungspraktiken auf. Aber auch die eigene Geschichte der Autor*in hat ihren Platz. So geht es auch um Widerstand auf anonymen Friedhofswiesen, sei es durch Trauergäste, Aktivist*innen, Forscher*innen und Mitarbeiter*innen – ganz im Sinne von »Rest in protest!«.
Francis Seeck, 1987 in Ostberlin geboren, ist promovierte Kulturanthropolog*in und Antidiskriminierungstrainer*in. Als Kind einer alleinerziehenden, erwerbslosen Mutter erlebte Seeck schon früh die Auswirkungen der Klassengesellschaft. Heute forscht und lehrt Seeck zu Klassismus und sozialer Gerechtigkeit, nach einer Vertretungsprofessur für Soziologie und Sozialarbeitswissenschaft an der Hochschule Neubrandenburg nun als Post-Doc an der HU Berlin. 2020 gab Seeck den breit beachteten Sammelband »Solidarisch gegen Klassismus« mit Brigitte Theißl heraus. Aus der Streitschrift »Zugang verwehrt« (Atrium) las Francis Seeck 2022 in der Schwankhalle.